Multiple Sklerose und körperliche Aktivität
Multiple Sklerose: Definition und Symptome
Multiple Sklerose (MS) hat in Europa eine jährliche Inzidenzrate von 4.3 Fällen pro 100 000 Einwohner [1]. MS ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, welche Gehirn, Rückenmark und Augennerven beeinträchtigt. Die Myelinscheiden, welche die Nervenzellen ummanteln und schützen, aber auch die Nervenzellen selbst werden vom Immunsystem unumkehrbar beschädigt, wobei die Signalübertragung zwischen Hirn und Körper verlangsamt oder unterbrochen wird. MS-Symptome beinhalten Sehstörungen, Muskelschwäche, Müdigkeit, Hitzeempfindlichkeit, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, kognitive Störungen sowie Veränderungen in der sensorischen Wahrnehmung (Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Stechen) [2]. Es gibt zunehmende Beweise dafür, dass genetische (weibliches Geschlecht) und Umweltfaktoren (Rauchen, Vitamin D-Mangel sowie mangelnde Sonnenexposition) mit MS im Zusammenhang stehen [3].
Die Auswirkungen von körperlicher Aktivität bei Multipler Sklerose
Durch den entzündungshemmenden Effekt vermag die körperliche Aktivität ein Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, kann jedoch nicht die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen umkehren. Sie kann aber jene Beeinträchtigungen umkehren, welche auf den Bewegungsmangel wegen der Erkrankung zurückzuführen sind [4]. Krafttraining verbessert sowohl die Funktionsfähigkeit, als auch die Muskelkraft in unteren und oberen Gliedmaßen [4, 5]. Ebenfalls hat es einen positiven Effekt auf die Ermüdungsresistenz [5]. Ausdauertraining führt zu kurzfristigen Anpassungen des Immunsystems, aber auch zu Verbesserungen der kardiovaskulären und neuromuskulären Systeme [4-6]. Gesteigerte körperliche Aktivität ist assoziiert mit einer besseren Lebensqualität für Multiple Sklerose Patienten durch Erhöhung der Tatkraft, sozialer Fähigkeiten, physischer und psychischer Gesundheit [7]. Auch Trainingsformen im Wasser verbessern die Ermüdungsresistenz sowie Lebensqualität [8]. Gleichgewichtsübungen können die Sturzgefahr vermindern [9].
Was sind die Risiken?
Im Allgemeinen sollte ein erschöpfendes Training vermieden werden. Auch wird von Übungen während einer Cortison-Therapie abgeraten, was zu Knochen-, Muskel- und Sehnenschäden führen kann. Der Anstieg der Körpertemperatur kann die MS-Symptome verschlimmern. Diese mögliche Steigerung der Symptome normalisiert sich jedoch eine halbe Stunde nach Beenden der Übungen [10]. Zusätzlich sollte besondere Rücksicht auf periphere Nerven genommen und eine Überdehnung vermieden werden [5]. Zur Gewährleistung der Sicherheit sollten Kraft- und Ausdauertraining von Experten betreut werden.
Empfehlungen
Körperliche Aktivität ist während der Versorgung und dem Fortschreiten der MS dringend empfohlen [11]. Es sollte ein dauerhafter Lebenswandel sein. Krafttraining zur Erhöhung der Funktionsfähigkeit und Stärke sollte aus 3-4 Sätzen von 4-8 unterschiedlichen Übungen mit der Intensität von 8-15 Maximalwiederholungen (d.h. maximale Anzahl an Wiederholungen mit bestimmtem Gewicht, welches mit sauberer Technik gehoben werden kann) an 2-3 Tagen die Woche bestehen. Empfehlungen zum Ausdauertraining (Fahrrad-Ergometrie, Arm-Bein-Ergometrie, Arm-Ergometrie, Training im Wasser oder Gehen auf dem Laufband) schlagen 10-40 Minuten leichter bis moderater Intensität (60-80% der maximalen Herzfrequenz) an 2-3 Tagen in der Woche vor [4]. 10-15 Minuten täglicher Dehnübungen mit 24 Stunden Erholungszeit werden zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Flexibilität von Muskeln und Sehen empfohlen [5]. Beim Beginn von MS sollten Gleichgewichts- und Doppelaufgabeübungen eingeleitet werden. Die Übungsintensität sollte langsam und niemals bis zum Schmerzpunkt gesteigert werden [5].
Verwandten Fallgruppen
Referenzen
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Autoren und Experten
Autoren : Alexis Lion1, Jane S. Thornton2.
Experte : René Metz3.
1 Luxembourg Institute of Health, Sports Medicine Research Laboratory, L-1460 Luxembourg, Luxembourg
2 Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Policlinique Médicale Universitaire, CH-1011 Lausanne, Switzerland
3 Centre Hospitalier de Luxembourg, Service de Neurologie, L-1210 Luxembourg, Luxembourg
Veröffentlichungsjahr
2015